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VwGH stoppt Zugriff des Fiskus auf virtuellen Gewinn

Insolvenz. Nicht bezahlte Schulden gelten laut Höchstgericht nicht als Gewinn, weshalb bei der Insolvenz kein Liquidationsgewinn mehr anfällt.

Das Thema regt die Fachwelt schon einige Zeit auf und betrifft die Abwicklung von pleitegegangenen Kapitalgesellschaften. Die Finanz hatte per Erlass eine Berechnung des Liquidationsgewinnes vorgegeben, nach der auch bei insolventen Gesellschaften ein zu besteuernder Überschuss herauskam. Im Rahmen einer Gruppenbesteuerung wollte man die Steuer bei den anderen, nicht insolventen Gesellschaften eintreiben. Dieser Berechnungsmethode widerspricht der Verwaltungsgerichtshof nun deutlich (VwGH2017/13/0009).
Bei Liquidation einer Gesellschaft, egal ob insolvent oder nicht, tritt im Allgemeinen ein besonderes Besteuerungsverfahren in Kraft: Im ersten Schritt ist das sogenannte Abwicklungsanfangsvermögen darzustellen. Dies ergibt sich aus dem letzten regulären Jahresabschluss vor der Auflösung (sprich vor dem Beschluss der Beendigung) der Gesellschaft. Danach folgt ein – meist mehrjähriger – Abwicklungszeitraum, in dem das Gesellschaftsvermögen versilbert und Schulden bedient werden. Nach Abschluss dieser Liquidationshandlungen ergibt sich ein Abwicklungsendvermögen, das dann dem Anfangsvermögen gegenübergestellt wird. Ergibt sich daraus ein Gewinn, ist dieser körperschaftsteuerpflichtig. Zweck dieser Vorgehensweise ist die Besteuerung sämtlicher stiller Reserven der aufgelösten Gesellschaft.
Bei insolventen Gesellschaften wäre da scheinbar nichts zu holen; nach einer eigenen Berechnungsmethode der Finanzverwaltung jedoch schon, welche folgendermaßen abläuft: Das Abwicklungsanfangsvermögen ist meist negativ, da die Schulden der Gesellschaft größer als deren Aktivvermögen sind. Bei einer insolventen Gesellschaft ergibt sich daher kein positives, sondern ein negatives Eigenkapital am Beginn der Abwicklungsphase. Am Ende durften jene Verbindlichkeiten, die nicht mehr bedient werden, nicht im Abwicklungsendvermögen ausgewiesen werden; dies betraf alle Verbindlichkeiten, die nicht im Rahmen der Quote getilgt wurden. Das Finanzministerium begründet dies damit, dass diese Schulden nicht (wie es bei Aktivvermögen der Fall wäre) an die Gesellschafter verteilt werden. Niemand wird diese Verbindlichkeiten mehr bedienen. Dadurch wurde eine Anfangsbilanz mit negativem Kapital einer Endbilanz mit einem Nullwert gegenübergestellt. Nullbilanz statt Minus Die Differenz ergibt den Liquidationsgewinn, der der Körperschaftsteuer unterliegt. Ein Gewinn lag deshalb vor, weil eine negative Bilanz zu einer Nullbilanz wurde. Die Eintreibung dieser Steuer stieß mangels positiven Vermögens ohnehin auf insolvenzrechtliche Schwierigkeiten. Bei Unternehmensgruppen wollte man aber diesen wirtschaftlich mehr virtuellen als realen Liquidationsgewinn beim Gruppenträger besteuern. Stille Reserven aufgedeckt Der VwGH hat dieser Methode nun deutlich widersprochen: Zweck der Schlussbesteuerung einer Gesellschaft ist die finale Erfassung von stillen Reserven, die beim – jetzt untergehenden – Steuerpflichtigen besteuert werden sollen. Es werden also alle stillen Reserven aufgedeckt, bevor das Steuersubjekt endgültig wegfällt und nicht mehr belangt werden kann. Eine über die Erfassung noch nicht besteuerter stiller Reserven hinausgehende Besteuerung einer Vermögensvermehrung, die bei der zu liquidierenden Gesellschaft nicht eingetreten ist, ergibt sich nach dem VwGH daraus nicht. Auch wenn die Schulden, die über die Quote der insolventen Gesellschaft hinausgehen, nicht mehr bezahlt werden, bleiben sie in der Bilanz Schulden und daher im Abwicklungsendvermögen enthalten. Die Endbilanz kann daher auch negativ sein. Eine andere Sichtweise gibt nach dem VwGH das Gesetz nicht her. Auch eine zweite Frage wurde für den Steuerpflichtigen und gegen die Finanzverwaltung entschieden: Die insolvente Gesellschaft hat als Gruppenmitglied an der Gruppenbesteuerung einer ganzen Unternehmensgruppe teilgenommen. Im Rahmen der Gruppenbesteuerung werden alle Gewinne und Verluste der Gruppe beim Gruppenträger gepoolt und gemeinsam besteuert. Der Vorteil besteht darin, dass Gewinne und Verluste einzelner Gesellschaften sofort miteinander ausgeglichen werden können. Das Finanzamt wollte den virtuellen Liquidationsgewinn dem Gruppenträger umhängen und sich die Körperschaftsteuer bei ihm holen. Allerdings bestätigte der VwGH seine Vorjudikatur, dass nur aktive werbende Gesellschaften Teil einer Gruppe sein können. Mit Eröffnung der Insolvenz scheidet das Gruppenmitglied automatisch aus der Gruppe aus, sodass eine Verrechnung mit den Ergebnissen der anderen Gruppenmitglieder nicht mehr erfolgen kann. Durch das Ausscheiden aus der Gruppe kann der Gewinn aus der zu liquidierenden Gesellschaft daher nicht mehr den anderen Gruppenmitgliedern zugerechnet werden.

Dieser Artikel erschien am 7. Oktober 2019 in der Tageszeitung "Die Presse" im Rechtspanorama - Download

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